Blog – PDF vs. HTML

Wenn es um digitale Barrierefreiheit geht, denken viele sofort an das barrierefreie PDF. Dieses Format ist weit verbreitet, etabliert und in vielen Fällen eine gute Lösung. Doch Barrierefreiheit bedeutet nicht, PDFs so lange anzupassen, bis sie formal den Richtlinien entsprechen.

Wirkliche Barrierefreiheit heißt, das bestmögliche Nutzungserlebnis für alle Menschen zu schaffen, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Hilfstechnologien arbeiten.

Mein erster Ansatz: ein PDF

In MS-Word habe ich kürzlich ein barrierefreies juristisches Dokument erstellt, über 150 Seiten, voll mit externen Verweisen.

Die Idee war, zwei Dokumente zu erstellen: eines mit Verweisen im Anhang und eines, wo sich die Verweise an Ort und Stelle bei Bedarf ein- und ausklappen lassen.

Ersteres war kein Problem. Ich habe alle Verweise in den Anhang verschoben und Sprungmarken zu den Verweisen eingebaut, die zurück in den Haupttext führten. Im PDF fand dann noch der Feinschliff statt.

Das Ergebnis war technisch korrekt und formal barrierefrei. Ohne Frage ein sehr gutes und zugängliches Dokument. „Aber ist dieses Format für die tägliche Nutzung, gerade mit Screenreadern, wirklich optimal oder eher mühsam? Lange Ladezeiten, viel Navigation, ständiges Hin- und Herspringen.“

Zweiteres ließ sich in Adobe Acrobat Pro nicht umsetzen. Mit JavaScript konnte ich zwar Textboxen erstellen, die sich via Schalter ein- und ausklappen ließen. Aber die Inhalte der ein- und ausklappbaren Textboxen war für Screenreader nicht zugänglich. Hinzukam, dass die Verweise zum Teil sehr viel Text (unter anderem mit Listen) enthielten.

Der Schritt zum HTML-Dokument

Zunächst habe ich mich nicht an eine HTML-Umsetzung herangetraut. Obwohl HTML als mögliche Lösung für die Variante mit den ein- und ausklappbaren Verweisen durchaus im Gespräch mit der Kundschaft nebenbei erwähnt wurde.

„Warum nicht? Lass uns das mal ausprobieren.“

Um den Unterschied greifbar zu machen, habe ich beide Varianten – PDF mit den Verweisen im Anhang und HTML mit den ein- und ausklappbaren Verweisen an Ort und Stelle – als Testbeispiele für meine Kundschaft bereitgestellt. Diese konnten das Dokument sowohl aus allgemeiner Nutzersicht als auch aus Sicht von Betroffenen, die blind oder sehbehindert sind, ausprobieren.

Das Feedback war eindeutig:

Das PDF war zwar barrierefrei im technischen Sinne, aber schwerfällig in der Nutzung.

Das HTML-Dokument hingegen überzeugte als praktisch, schnell und komfortabel, insbesondere beim Einsatz von Screenreadern.

Ein Screenreader-Nutzer brachte es auf den Punkt. Für ihn war die HTML-Version schlicht „perfekt“. Und auch für Menschen ohne Behinderung zeigte sich ein klarer Vorteil. Das HTML-Dokument eignet sich hervorragend für das tägliche Arbeiten, wenn es schnell gehen muss. Es ist einfach, effizient und für alle gleichermaßen zugänglich.

Warum die Perspektive der Lesenden zählt

Diese Erfahrung macht deutlich: Barrierefreiheit ist keine rein technische Aufgabe. Entscheidend ist, die Anforderungen der Lesenden zu kennen und zu berücksichtigen.

Blinde Menschen brauchen eine klare Struktur, Alternativtexte und eine logische Lesereihenfolge.

Menschen mit motorischen Einschränkungen und blinde Menschen profitieren von vollständiger Tastaturnavigation.

Andere Gruppen legen Wert auf Kontraste, Lesbarkeit oder einfache Bedienung.

Barrierefreiheit bedeutet deshalb, verstehen, wie unterschiedliche Menschen mit Inhalten arbeiten und Lösungen bereitstellen, die diese Anforderungen abdecken.

Fazit: Mut zahlt sich aus

Barrierefreiheit heißt nicht, ein einziges Format auf Biegen und Brechen anzupassen.
Sie bedeutet, flexibel zu denken und auch neue Wege zu gehen, selbst wenn sie anfangs ungewohnt wirken.

Mein Fazit: Es lohnt sich, auch einmal Alternativen auszuprobieren und diese direkt mit den Menschen zu testen, die sie am Ende nutzen werden. Denn manchmal steckt die bessere Lösung genau dort, wo man sie nicht erwartet. Und je mehr Wahlmöglichkeiten wir anbieten, desto inklusiver wird der Zugang für alle.

👉 Barrierefreiheit macht Dokumente nicht komplizierter, sondern besser für alle.

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