Sind Canva-PDFs barrierefrei?

Für viele Menschen ist Canva ein Traumtool.

Es ist schnell, intuitiv, günstig und mit wenigen Klicks lassen sich Flyer, Broschüren, Lebensläufe oder Social-Media-Posts gestalten. Kein Wunder also, dass Canva längst seinen Weg in Büros, Vereine, Bildungseinrichtungen und Kommunen gefunden hat.

Doch sobald das Thema digitale Barrierefreiheit ins Spiel kommt, taucht eine berechtigte Frage auf: „Kann man mit Canva barrierefreie PDFs erstellen, also Dokumente, die nach WCAG und PDF/UA zugänglich sind?“.

Ich beschäftige mich mit barrierefreien Dokumenten, gebe Workshops zu dem Thema und unterstütze Organisationen bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen. Dabei taucht genau diese Frage immer häufiger auf.

Warum Barrierefreiheit bei PDFs überhaupt wichtig ist

Bevor wir auf Canva schauen, lohnt ein kurzer Blick auf das Warum.

Barrierefreie PDFs sind kein Extra, sondern eine rechtliche Verpflichtung für öffentliche Stellen – in Deutschland nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0).

Beide schreiben vor, dass digitale Inhalte – also auch PDFs – für alle Menschen zugänglich sein müssen.

Seit 2025 kommt außerdem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) hinzu.

Wer ist verpflichtet und wer profitiert

Das BFSG erweitert die Anforderungen über den öffentlichen Sektor hinaus und betrifft nun auch viele private Unternehmen, zum Beispiel Anbieter von Online-Diensten, E-Commerce, Banken oder Verlage.

Auch Kommunen, die mit externen Partnern oder Dienstleistern zusammenarbeiten, sind dadurch indirekt betroffen. Sie müssen sicherstellen, dass bereitgestellte Dokumente, Formulare und Veröffentlichungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Barrierefreiheit bedeutet also nicht nur Inklusion, sondern auch Rechtskonformität, Professionalität und Zukunftssicherheit.

Gleichzeitig profitieren alle, ganz unabhängig von einer Behinderung. Auch Unternehmen, NGOs und Vereine profitieren.

Ein barrierefreies PDF bedeutet, dass alle Menschen Inhalte verstehen und nutzen können, ob mit Screenreader, Vergrößerungssoftware oder Tastaturbedienung.
Gleichzeitig verbessert Barrierefreiheit Suchmaschinenoptimierung, Struktur und Verständlichkeit für alle.

Kurz gesagt: Wer barrierefreie Dokumente erstellt, macht nicht nur das Richtige, sondern schafft Mehrwert.

Was Canva in Sachen Barrierefreiheit verspricht

Canva hat in den letzten Jahren auf die wachsende Bedeutung digitaler Inklusion reagiert. Das Unternehmen wirbt damit, dass sich PDFs inzwischen mit Tags und Alternativtexten versehen lassen und Farbkontraste überprüft werden können.

Hier die wichtigsten Neuerungen:

  • Automatische Tags: PDFs aus Canva enthalten laut Hersteller semantische Informationen – also Tags für Überschriften, Absätze, Listen und Objekte.
  • Barrierefreiheitsprüfung: Das Tool kann Warnungen anzeigen, wenn Text und Hintergrund zu wenig Kontrast haben oder die Schrift zu klein ist.
  • Alternativtexte: Nutzende können Alt-Texte für Bilder einfügen.
  • Dekorative Objekte: Elemente, die keine Bedeutung für den Inhalt haben, können als dekorativ markiert werden.

Das klingt nach großen Fortschritten und viele hoffen, dass barrierefreie PDFs damit „einfach“ geworden sind. Doch wie so oft sieht es in der Praxis anders aus.

Der Praxistest: Canva-Flyer als PDF exportiert

Ich habe zum Test einen schlichten Informationsflyer in Canva erstellt und als PDF exportiert.

Dann habe ich die Datei mit professionellen Prüfwerkzeugen analysiert, unter anderem mit dem PAC-Checker, einem Standardtool zur Prüfung von PDF/UA-Konformität.

Das Ergebnis war eindeutig:

1. Ja, es gibt Tags – aber sie sind chaotisch

Canva vergibt automatisch Tags für Überschriften, Absätze und Listen. Das Problem dabei ist, dass die Struktur völlig unlogisch ist.

Überschriftenebenen sowie der Fließtext werden willkürlich und falsch mit Tags von H1 bis H6 versehen. In Canva habe ich leider keine Kontrolle darüber, die Hierarchie der Überschriften selbst festzulegen.

Ein Screenreader kann die inhaltliche Gliederung des Dokuments nicht sinnvoll erfassen. Damit ist die wichtigste Grundlage der Barrierefreiheit – die logische Struktur – zerstört.

2. Alternativtexte gehen verloren

Zwar kann man in Canva Alternativtexte hinterlegen, doch beim PDF-Export verschwinden sie. Nur dekorativ markierte Objekte bleiben als solche erkennbar, das ist immerhin ein Pluspunkt.

Ein PDF ohne erhaltene Alt-Texte ist für Menschen, die auf Screenreader angewiesen sind, nur halb zugänglich und wichtige Informationen gehen verloren.

3. Technische Fehler: PDF-Syntax defekt

Der PAC Checker meldete über 500 Fehler, welche man in Adobe Acrobat Pro bereinigen muss.

Darunter war die Fehlermeldung „PDF Syntax (ISO 32000-1)“. Für mich ist das ein Albtraum für die Nachbearbeitung.

Das ist ein Hinweis darauf, dass das PDF intern beschädigt ist. Mit anderen Worten, es ist zwar formal „getaggt“, aber technisch nicht stabil oder valide.

4. Keine Unterstützung für Formularfelder

An einem separaten Dokument habe ich in Canva Platzhalter für Formularfelder eingefügt, um zu testen, ob man diese im Nachhinein in PDF einfügen und bearbeiten kann. Interessant ist, Adobe Acrobat Pro hat diese Platzhalter erst gar nicht erkannt.

Automatisches Erkennen von Formularfeldern funktioniert bei Canva-PDFs nicht. Alles muss manuell eingefügt werden, was bei Verwaltungsformularen den Aufwand erheblich erhöht.

Oftmals kommt hier noch bei Canva-PDFs dazu, dass sich diese weder im Strukturbaum noch direkt im PDF bearbeiten lassen. Das heißt, sehr viele Canva-PDFs sind so kaputt, dass man keine Formularfelder einfügen und mit Tags versehen kann.

Warum Canva hier an seine Grenzen stößt

Das Kernproblem liegt in der Art und Weise, wie Canva PDFs generiert. Canva ist eine webbasierte Designplattform und kein professionelles Layout-Programm oder Textverarbeitungsprogramm. Die PDF-Exportfunktion ist auf Optik, nicht auf Struktur optimiert.

Während Programme wie InDesign oder Word semantische Beziehungen zwischen Objekten speichern, erzeugt Canva zwar ein getaggtes PDF, aber ohne nachvollziehbare Struktur. Die Lesereihenfolge ist oft chaotisch, Überschriftenebenen fehlen, und teilweise gehen auch Alternativtexte verloren.

Hinzu kommt, dass sich viele Canva-PDFs nicht nachträglich sauber taggen oder korrigieren lassen. Inhalte, die auf der Folie oder im Dokument visuell sichtbar sind, tauchen im Inhaltsfenster und im Strukturbaum von Adobe Acrobat Pro überhaupt nicht auf.

Solche fehlenden Strukturelemente lassen sich im Nachhinein auch nicht einfügen, weil sie technisch im PDF gar nicht als eigenständige Objekte vorhanden sind.

Das bedeutet, dass selbst erfahrene Fachleute diese Dateien oft nicht barrierefrei aufbereiten können. Da bleibt nur noch die Option, sie in einem anderen Tool komplett neu zu erstellen.

Das Ergebnis meines Tests:

Ein visuell schönes PDF, das für die menschliche Wahrnehmung funktioniert, aber für assistive Technologien unbrauchbar ist.

Was sind Alternativen zu Canva, wenn Barrierefreiheit wichtig ist?

Wer regelmäßig Dokumente für die Öffentlichkeit erstellt, sollte Tools nutzen, die strukturierte und nachbearbeitbare PDFs erzeugen.

Empfohlen sind:

  • Adobe InDesign – für professionelle Layouts mit Tag-Steuerung und Exportkontrolle.
  • Microsoft Word – für viele Verwaltungsdokumente völlig ausreichend, wenn sauber mit Formatvorlagen gearbeitet wird.
  • Affinity Publisher – eine gute Alternative für kleinere Budgets.
  • Venngage – bietet laut Hersteller barrierefreundlichere Exporte als Canva, allerdings fehlen noch unabhängige Tests.

Mein Fazit

Canva ist großartig, wenn es um schnelles, kreatives Design geht. Ich persönlich nutze Canva sehr gerne für Grafiken und Bilder für Beiträge in den Sozialen Medien. Karussells hingegen erstelle ich in PowerPoint und konvertiere sie in barrierefreie PDFs.

Aber für barrierefreie PDFs nach WCAG oder PDF/UA ist es aktuell nicht geeignet.
Die Struktur ist unzuverlässig, Alternativtexte gehen verloren und die Syntaxfehler machen eine Nachbearbeitung extrem aufwendig.

Wer als Kommune, Behörde oder Unternehmen rechtskonforme Dokumente bereitstellen muss, sollte lieber auf Tools setzen, die Barrierefreiheit wirklich unterstützen und sich im Zweifel professionelle Unterstützung holen.

Die entscheidende Frage ist: „Welches Design erstelle ich und für welchen Zweck?“.
Für persönliche Einladungen oder gedruckte Flyer ist Canva völlig in Ordnung.

Sollen die Materialien jedoch digital als PDF veröffentlicht oder online bereitgestellt werden, rate ich klar davon ab.

Wichtiger als das Tool ist ohnehin der barrierefreie Gestaltungsprozess selbst. Barrierefreiheit beginnt nicht erst beim Export, sondern beim Design.
Farbkontraste, Schriftarten und -größen, sinnvolle Überschriftenstruktur – all das sollte von Anfang an mitgedacht werden.

Zum Schluss: Deine Erfahrungen interessieren mich

Hast du selbst schon versucht, barrierefreie PDFs mit Canva zu erstellen? Oder sitzt du auch manchmal ratlos vor einem PDF-Strukturbaum, der alles andere als logisch aussieht?

Teile deine Erfahrungen und Gedanken gern über das Formular unten, ich freue mich auf den Austausch.

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